Katharina Nuß übernimmt Vorsitz des Hospizvereins

Allgemeine Zeitung Alzey, 14.10.2016, Von Stefanie Widmann:


Katharina Nuß übernimmt Vorsitz des Hospizvereins
Es gibt eine Situation, an die erinnert sich Helmut Fetzer, scheidender Vorstand des Hospizvereins Dasein e.V. genau. Beim Rheinland-Pfalz-Tag hatte er mit Kollegen eine Stellwand aufgebaut, auf der oben stand: „Bevor ich sterbe, möchte ich noch …“ Ein Mann mit einer alten Frau im Rollstuhl kam vorbei. Die alte Dame stand auf und schrieb für sich „…noch einmal selbst kochen.“ Der Mann, der den Rollstuhl geschoben hatte, war erstaunt. Wahrscheinlich hatte sich die Familie bemüht, der alten Dame alles abzunehmen.“
Manchmal sind es die ganz kleinen Wünsche, die einem Menschen am Lebensende noch einmal eine Freude bereiten würden, erzählt Fetzer, der sein Amt gerade an Katharina Nuß übergibt. Noch einmal selbst kochen. Die Katze auf dem Bett liegen zu haben. Wissen, in welcher Kleidung ich im Sarg die Reise antrete. Aber häufig ist keiner da, dem der Todkranke das anvertrauen kann. Oder er traut sich nicht, seine Nächsten mit dem Thema zu konfrontieren. „Die haben doch genug um die Ohren“, heißt es. Oder: „Wenn ich mit ihnen über den Tod spreche, bekommen die doch einen furchtbaren Schrecken.“ Ein Tabuthema eben – noch mehr von der anderen Seite: „Nicht jeder traut sich, den todkranken Angehörigen zu fragen, wie er sich eigentlich seine Trauerfeier vorstellt“, sagt Katharina Nuß. Dabei wäre es für viele wichtig, zu wissen, welche Decke sie mit in den Sarg nehmen.
„Hier können wir manchmal Mittler sein“, weiß die neue Vorsitzende. „Wenn wir einen Mensch begleiten und Vertrauen aufbauen, vielleicht auch helfen, in der Familie Ängste abzubauen, Themen anzusprechen.“ Viele Strebende hätten das Bedürfnis, noch das eine oder andere zu klären, bevor man geht. Und manchmal kann man Menschen den letzten Lebensabschnitt mit einem neuen Ansatz auf ganz einfache Art erleichtern.
Verpflichtung im feierlichen Rahmen
Nuß, hauptamtlich Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, beschäftigt das Thema Leben und Sterben schon lange. Vor 19 Jahren hat sie den Hospizverein Alzey mit ins Leben gerufen. Helmut Fetzer, Leiter der Evangelischen Regionalverwaltung Rheinhessen, der Ende des Jahres in Ruhestand geht, hatte die zurückliegenden zehn Jahre den Vorsitz. In der Zeit hat sich die Zahl der Mitglieder verdoppelt auf 220 und die Zahl der Hospizhelfenden durch zwei Ausbildungsgänge von zehn auf derzeit 22 gesteigert. „Vor sechs Jahren kam dann noch die Palliativstation im DRK-Krankenhaus dazu, wo wir regelmäßig anwesend sind“, sagt Fetzer. Die Verpflichtung der Hospizhelfenden für ein Jahr werde in einem feierlichen Rahmen in einem Wingertshäuschen in Weinheim begangen.
Die meisten Vereinsmitglieder, die nicht nur zahlen, sondern sich aktiv engagieren, sind Frauen. „Betreuung und Pflege sind nun einmal nach wie vor weibliche Domänen“, sagt Nuß. Die meisten seien 55 Jahre und darüber, ein Alter, wo häufig die Pflege eigener Eltern die Menschen mit diesem Thema konfrontiert. Oft sind es die kleinen Zwischentöne, über die sie die Wünsche der Sterbenden erkennen, ein Blick von außen, der helfen kann, sie umzusetzen. Die Hospizschwester entscheidet nach einem Erstbesuch, wer sich für die Begleitung möglicherweise am besten eignet. Der Hospizverein ist übrigens überkonfessionell.
„Ich wünsche mir, dass in der Öffentlichkeit ankommt, dass der Tod zum Leben gehört“, sagt Fetzer und Nuss ergänzt: „Wir alle werden sterben, das ist das Einzige im Leben, das wirklich sicher ist.“ Das Begreifen der Endlichkeit sei aber auch eine Chance, bewusster das zu erleben, was man habe. Viele Menschen in der Situation kommen auch gar nicht auf die Idee, den Hospizverein anzurufen und das Thema in ihrem Leben zuzulassen. Nach dem Motto „Sterben tun nur die anderen.“ Gerade in Privathaushalten könnten Hospizhelfende vermitteln und oft auch eine Entlastung für die Angehörigen sein.
Besonders gut gelinge dies, wenn der Hospizhelfende nicht erst im letzten Moment gerufen werde, wenn sowieso viel Personal da sei. „Wenn wir jemanden ein Vierteljahr oder auch ein Jahr begleiten können, oder wenigstens ein paar Wochen, können wir Vertrauen aufbauen“, sagt Nuss. Als neue Vorsitzende will sie auf jeden Fall die Öffentlichkeitsarbeit verstärken, auch mit Veranstaltungen. Die Vernetzung mit anderen Vereinen will sie ebenfalls verstärken. Und dann ist da natürlich der Traum von einem Hospiz für Alzey. „Vielleicht kann ich einen kleinen Beitrag leisten, den Tod ins Leben zu integrieren“, hofft Nuß.